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Sterben wollen …

  • Autorenbild: Felix Thiele
    Felix Thiele
  • 1. Feb. 2023
  • 2 Min. Lesezeit



Es war mein allererster Tag auf Station. Kurz nach dem Abitur, in einem kleinen Krankenhaus in der Lüneburger Heide. Mein Vater hatte hier 30 Jahre vorher als Gynäkologe unzähligen Kindern auf die Welt geholfen und sich dann als Allgemeinarzt nebenan niedergelassen. Und nun suchte sich die nächst Generation ihren Weg in die Medizin. Meine erste Aufgabe war, einem Patienten zu Trinken zu geben. Frohgemut, voller Elan an die Tür hämmernd stürmte ich also in das Zimmer: Ein Mann, um die 70, ausgemergelt, mit flacher Atmung und gelblich verfärbter Haut lag hilflos in seinem Bett. Den Raum durchzog ein leichter Uringeruch; terminale Niereninsuffizienz.

Nachdem ich dem Herrn einen guten (!) Tag gewünscht hatte, bot ich ihm etwas zu Trinken an, wollte es ihm dann aus der Schnabeltasse zuführen. Als er die Lippen zusammen kniff, sagte ich: „Aber sie müssen doch etwas trinken!“

er: „Lasst mich doch endlich sterben!“


Meine tollpatschige Verständnislosigkeit für die Nöte des Patienten verfolgt mich bis heute.





Szenenwechsel. Der Bundestag ist dabei, die Sterbehilfe neu zu regeln, nachdem das Bundesverfassungsgericht die bis dahin geltende Regelung verworfen hat. Das Thema wird in Politik und Wissenschaft breit diskutiert, verschiedene Gesetzentwürfe liegen vor, Experten angehört. Das Thema ist also auf einem guten, demokratischen Weg. Bei gewissen Vorschlägen komme ich allerdings ins Grübeln. So sieht einer der Gesetzentwürfe vor, dass in Zukunft jemand, der Hilfe beim Sterben sucht, sich zwei psychiatrischen Gutachten im Abstand von 3 Monaten unterziehen muss. Das ist absurd! Wenn jemand so leidet, dass er sein eigenes Leben beenden möchte und dafür um Hilfe bittet, ist er wohl kaum in der Verfassung, noch drei weitere Monate auf die Genehmigung zu warten, sich beim Sterben helfen zu lassen.

Sich selbst zu Töten ist nicht verboten. Sich dabei helfen zu lassen auch nicht. Jemand der Sterben will, wird einen Weg finden. Die Frage ist nur, zwingen wir ihn dazu, sich vor einen Zug zu werfen oder sich im heimischen Schlafzimmer eine Tüte über den Kopf zu ziehen, oder zeigen wir ihm Wege auf, auf eine würdige Art zu sterben?

Die Behauptung, solche bürokratischen Verfahren seien dazu gedacht, dass Selbstbestimmungsrecht des Sterbewilligen zu schützen, ist merkwürdig, denn der „Schutz“ besteht offenbar darin zu verhindern oder wenigstens wesentlich zu verzögern, dass dieses Recht auch ausgeübt werden kann - und dass ist eine illiberale Bevormundung.


 
 
 

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