top of page

Sterbehilfe: Zu einem Kommentar in der FAZ vom 21. Oktober 2024

  • Autorenbild: Felix Thiele
    Felix Thiele
  • 21. Okt. 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Anlass für den Kommentar von Sebastian Eder in der FAZ. vom 21. Oktober ist eine so genannte Suizidkabine, in die Stickstoff eingeleitet wird, und so zum Tod führt. Die Kabine wurde in der Schweiz zur Sterbehilfe eingesetzt, obwohl von verschiedenen staatlichen Stellen vorher gewarnt wurde, das Gerät sei nicht rechtskonform und den Betreibern juristische Konsequenzen angedroht wurden. Mit Blick auf das Gerät ist dieser Vorgang kaum bemerkenswert, denn auch wer ankündigt, mit einem nicht-zugelassenen Auto am Straßenverkehr teilzunehmen, wird gewarnt, dass er damit rechtswidrig handelt und ihm juristische Konsequenzen drohen. Eine solche sagen wir eher technische oder instrumentelle Sicht auf das Recht scheint der Kommentator aber abzulehnen.


Das Verhältnis des Kommentators zum Rechtssystem im Allgemeinen ist bestenfalls schwankend: mal bezeichnet er die Justiz als machtlos gegenüber den Befürwortern der Sterbehilfe, dann kritisiert er sie dafür, dass sie angeblich wegschaut. (Was sie meiner Meinung nach zu Komplizen werden ließe). Schließlich findet er es aber auch „absurd“, dass eine Ministerin sich auf die geltende Rechtslage bezieht, um zu erklären, warum sie die Suizidkabine für rechtswidrig hält. (Wobei man sich fragt, worauf sie sich denn sonst hätte beziehen sollen - Ein morgendliches Völlegefühl, eine Vorliebe für Herbstblumen?)


Das Verhältnis des Kommentators zum Bundesverfassungsgericht im Besonderen ist dagegen offensichtlich, nämlich zerrüttet. Das Sterbehilfe-Urteil des Gerichts von 2020 ist nach seiner Überzeugung „an Verantwortungslosigkeit kaum zu überbieten“. Worin die Verantwortungslosigkeit des Gericht denn nun eigentlich besteht, muss man zwischen den Zeilen herauslesen. So wird dem Gericht offenbar vorgeworfen, dass es keine detaillierten Vorgaben gemacht hat, mit denen beurteilt werden kann, ob jemandes Wunsch nach Sterbehilfe selbstbestimmt ist. Das ist allerdings soweit ich das überblicke, auch nicht die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, das wie der Name schon zeigt, die Verfassungsrechtlich festgelegten Rechte der Bürger zu schützen und zu diesem Zweck auszulegen hat. In diesem Falle das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Möglicherweise bestehende Praxis Probleme in der Anwendung der Urteile des Bundesverfassungsgerichts werden durch untere Gerichte behandelt, die viel Näher an der Praxis sind.


Ein Bagatellisieren der Sterbehilfe, so wie vom Kommentator befürchtet,  findet durch das Urteil des Verfassungsrechts gerade nicht statt: Es legt in größtmöglicher Offenheit dar, dass das Recht auf Leben und persönliche Lebensgestaltung eben auch den selbstbestimmten Tod umfasst. Das  ist keine Bagatellisierung. Im Gegenteil ist es Zeichen des allerhöchsten Respekts für das Individuum und seine Lebensgestaltung.


Ein Argument, dass eigentlich kein Kritiker der Liberalisierung der Sterbehilfe auslässt - auch der Kommentator nicht - ist die Befürchtung, dass eine solche Liberalisierung dazu führen wird, dass Menschen aus wirtschaftlichen Gründen dazu gedrängt werden, Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Mir ist nicht klar warum es schlimmer sein soll, aus wirtschaftlichen Gründen dazu gedrängt zu werden, das eigene Leben zu beenden, als vielleicht aus religiösen, ästhetischen oderterminlichen Gründen. Der moralisch und juristisch entscheidende Punkt liegt im Zwang und nicht in den Gründen, aus denen heraus jemand gezwungen wird. Eine von mir favorisierte liberale Regelung der Sterbehilfe lässt sich unkompliziert auf das normative Fundament der Freiheitsrechte des Individuums zurückführen. Der Kommentator widerspricht solch ein normativen und verfassungsrechtlichen Fundament nicht ausdrücklich. Dennoch quillt zwischen den Zeilen des Textes beständig ein tiefes Unbehagen an der Praxis einer liberalen Sterbehilferegelung hervor. Dieses Unbehagen wird hauptsächlich an noch bestehenden Praxisproblemen solcher Regelungen geknüpft. Die Quellen dieses Unbehagens scheinen mir doch deutlich tiefer zu legen. Liberale Quellen sind es wahrscheinlich eher nicht.


 
 
 

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
Kino Macht Kultur

Da wollte ich heute Abend doch so gerne ins Kino gehen. Aber mein Freund Tom, der muss noch bügeln, weil er in den Skiurlaub fährt. Hat...

 
 
 

Commentaires


Schreibt mir, ich freue mich auf euer Feedback

Danke für die Nachricht!

© 2023 Das Fundbüro / Felix Thiele

bottom of page