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Über Brandmauern und Demokratie-Feinde

  • Autorenbild: Felix Thiele
    Felix Thiele
  • 31. Juli 2023
  • 4 Min. Lesezeit

Derzeit ist in der Politik viel von einer Brandmauer die Rede. Eine Brandmauer ist, so lesen wir bei Wikipedia, eine Wand, die durch ihre besondere Beschaffenheit das Übergreifen von Feuer und Rauch von einem Gebäude oder Gebäudeteil zu einem anderen verhindern soll. Übertragen auf die politische Situation Deutschlands im Sommer 2023 könnte man sagen: wir sehen starke Rauchentwicklung. Der Rauch, dass sind die Umfragewerte für die AfD. Sie steigen immer weiter. Bei der Sonntagsfrage (Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre …) kommt die AfD mittlerweile auf 20% Das ist erschreckend, denn wo Rauch ist, ist auch Feuer! Die AfD ist eine in Teilen rechtsextremistische Partei, deren Geringschätzung für unser demokratisches System offenkundig ist. 2020 zum Beispiel während der Corona-Epedemie unterstellte die AfD, das überarbeitete Infektionsschutzgesetz sei ein ebenso tiefer Eingriff und ei Rechte der Bürger wie die Ermächtigungsgesetze von 1933 - also jene Gesetze, mit denen sich Hitler endgültig zum Diktator machte. Diese Gleichstellung der beiden Gesetzte von 1933 und 2020 ist so unglaubwürdig, dass man sich nicht vorstellen kann, dass irgendjemand in der AfD diesen Vergleich ernst meinte. Es ging diesen Leute aber gar nicht um die Richtigkeit oder gar Wahrheit ihrer Äußerungen, stattdessen wollten und wollen sie provozieren und die parlamentarische Arbeit behindern und verächtlich machen. In der Tradition des Populismus nutzen sie zudem jede sich bietende Möglichkeit, die „Straße“, die Eingeschüchterten, die Furchtsamen und die Wütenden für ihre Zwecke zu benutzen.

Warum verbietet man die AfD denn nicht einfach? Weil die juristische Hürden für ein Parteien Verbot sehr hoch sind. Man möchte damit vermeiden, dass die jeweils Regierenden ihre politischen Widersacher beziehungsweise deren Parteien einfach durch ein Verbot aus dem Weg räumen. In Autokratien wie Russland ist das eine beliebte Vorgehensweise.

Was also nun tun? Die CDU/CSU, die der AfD im politischen Spektrum nun mal am nächsten steht, will die besagte Brandmauer hochziehen, d.h. im Grunde jeden Kontakt, vor allem jede Kooperation mit der AfD vermeiden. Das Problem einer Brandmauer ist, dass man mit ihr das Feuer auf der anderen Seite nicht löschen kann, sondern nur aufhalten, wenn man Glück hat. Wieder übertragen auf den Umgang mit der AfD bedeutet dies, dass die demokratischen Parteien, also SPD, Grüne, CDU/CSU und die Linke hoffen, dass die AfD schon irgendwie wieder verschwinden wird. Jedenfalls ist eine aktive Strategie, wie man die AfD bekämpfen könnte, nicht zu erkennen. Im Gegenteil diese Parteien wirken fast ein wenig wie das sprichwörtliche Kaninchen im Scheinwerferlicht, dass gebannt auf die heran rasende Katastrophe - die fallenden Umfragewerte und der drohende Machtverlust - starrt, aber unfähig scheint, sich zu bewegen. Man mag von Philipp Amthor, dem CDU Bundestagsabgeordneten als Person halten was man will, aber wie er die AfD im Bundestag in seinen Reden immer wieder angegangen ist - argumentativ und konfrontativ - war beeindruckend. Mit solider Sachpolitik ist die AfD bisher nicht aufgefallen. Ihre Verlautbarungen sind eher Parolen als Argumente. Dieser Stil verfängt aber offenbar bei vielen Bürgern: Wut und Ablehnung statt Argumente und Kompromisse. Aber Argumente und Kompromisse sind ein zentrales Elemente der Demokratie. Demokrat sein, heißt deshalb auch die Demokratie gegen diejenigen zu verteidigen, die lieber Parolen verbreiten und eine Fundamentalopposition praktizieren. Dafür reiht es aber nicht, bloß einen Wertekonsens zu beschwören, der bemerkenswert schwammig bleibt. Vielmehr muss sollte man die AfD-Positionen in aller Offenheit kritisch hinterfragen und die argumentative Armut dieser Partei öffentlich darlegen Dazu muss man zwar nicht mit der AfD kooperieren, aber man muss ihr dann auch die Gelegenheit geben, sich zu verteidigen.

„Klare Kante“ zeigen, ist eine beliebte Formulierung , wenn man fordert, dass der Staat sich konsequent gegen Entwicklungen vorgehen soll, die den Staat und die Freiheit seiner Bürger gefährden. Als zum Beispiel junge Männer, viele davon mit Migrationshintergrund in einer Silvesternacht in Köln quasi Jagd auf junge Frauen machten, erwarten wir, dass der Staat klare Kante zeigt und derartiges Verhalten unterbindet. Wenn in Duisburg Marxloh oder Leipzig Connewitz quasi rechtsfreie Räume entstehen, dann fordern wir, der Staat solle auch hier klare Kante zeigen und das Recht durchsetzen. Und wenn die AfD verfassungsfeindliche Tendenzen zeigt, wird ebenfalls gefordert, der Staat mögen sich verteidigen und klare Kante zeigen. Mir scheint, der Staat tut das auch. Der Verfassungsschutz zum Beispiel verfolgt im Bund und in den Ländern die Entwicklung genau.

Zu den Institutionen unserer Demokratie gehören laut Grundgesetz aber auch die Parteien, die den Auftrag haben an der politischen Willensbildung mitzuwirken. Deshalb sollten auch die Parteien, allen voran CDU und CSU klare Kante zeigen und aktiv die Auseinandersetzung mit der AfD suchen. Bloß hinter der Brandmauer zu sitzen wird nicht reichen und ist auch kein Werbung für eine streitbare Demokratie. Und gerade dieser letzte Punkt ist wichtig, denn die Demokratie ruht auf Voraussetzungen, die sie selbst nicht garantieren kann. Sie muss von den Bürger gewollt werden, sonst wird sie nicht überleben. Ob das, was die etablierten Parteien gegenüber der AfD zeigen, eine gute Werbung für die Demokratie ist, müsste man sicher detaillierter untersuchen, als dass meine polemischen Zeilen hergeben.


Wenn ich nach einem Bild für die jetzige Situation suchen müsste, ist es nicht die Brandmauer, die mir einfällt. Eher denke ich an Kinder beim Verstecken spielen. Die kleineren unter ihnen, bleiben gern mal mitten auf der Wiese stehen, halten sich die Händchen vor die eigenen Augen und rufen vergnügt: Ihr könnt mich nicht sehen. Den Fänger allerdings stört das wenig.


 
 
 

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